Discussion:
Bundesinstitut für Arzneimittel: Aloe Vera ist krebserregend und erbgutschädigend
(zu alt für eine Antwort)
Jana Heinze
2003-10-03 19:34:57 UTC
Permalink
Aloe vera, auch Wüstenlilie genannt, wird seit langem als Zusatz in
Kosmetik sowie als Abführmittel verwendet. Derzeit werden
Aloe-vera-Säfte und -Gele mit den unglaublichsten Wirkungsaussagen
angeboten.

Die Palette der genannten Gesundheitsleistungen reicht (bei
regelmäßiger Einnahme) von A wie Akne, Aids und Asthma über
Chemotherapieschäden, Depressionen, Migräne oder Neurodermitis bis hin
zu Schuppenflechte, Sonnenbrand und Zellulite. Allerdings findet man
diese Wirkungsbeschreibungen nicht auf den Verpackungen, sondern hört
davon nur durch Mundpropaganda, in nachmittäglichen Talkshows oder
liest davon auf "selbstgestrickten" Handzetteln selbstständiger
"Aloe-vera-Berater" oder in entsprechenden Internetforen.

Das Produkt

Aloe vera Saft oder Gel wird aus der Pflanze "Aloe vera barbadensis
miller" hergestellt. Die Pflanze wird in großen Plantagen z. B. in
Spanien, auf den Kanaren, in Mexiko, Südamerika, Australien und in den
südlichen USA angebaut. Bei der Herstellung wird das Blattmark
(innerste Schicht, Parenchym) aus den langen dickfleischigen Blättern
herausgeschält. Da das Gel sehr sauerstoffempfindlich ist, muss es
innerhalb kürzester Zeit (ca. 4 Stunden) weiterverarbeitet (gepresst)
werden. Die gewonnene Flüssigkeit wird dann stabilisiert. Das
geschieht meist mit Hilfe von Vitamin C (Ascorbinsäure) sowie
Zitronensäure. Einige Produkte enthalten außerdem den künstlich
hergestellten Konservierungsstoff Natrium-Benzoat (Benzoesäure, E 211)
oder Kaliumsorbat (E 202). Beide können bei empfindlichen Personen
allergieauslösend sein. Weitere Zutaten sind je nach Produkt Xanthan,
ein Verdickungsmittel (E 415), und Tocopherol (Vitamin E). Vitamin C
und Zitronensäure.

Der Zusatz von Konservierungsstoffen ist in Fruchtsäften und
Gemüsesäften nicht erlaubt. Da es sich aber beim Aloe-vera-"Saft"
nicht um einen Saft gemäß Fruchtsaft-Verordnung bzw. der Leitsätze für
Gemüsesaft und Gemüsetrunk, sondern um ein Pflanzen-Blattextrakt
handelt, ist es ein "Lebensmittel eigener Art". Deshalb dürfen die
genannten Konservierungsstoffe (bis zu 2000 mg/l) zugesetzt werden

Eine Untersuchung der Euopäischen Kommission zur Bestrahlung von
Lebensmitteln ergab, dass 42 % der Aloe vera-Nahrungsergänzungen
bestrahlt (in der EU unzulässig) und nicht gekennzeichnet worden sind.
Eine gewisse Sicherheit bieten hier Bio-Produkte, die keinesfalls
bestrahlt werden und auch keinerlei genetisch veränderte Zutaten
enthalten dürfen. Durch das Fehlen von Mineraldünger könnte bei
Bio-Produkten ein höherer Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen
vorliegen.

Einige Produkte tragen das Siegel des International Aloe Science
Council. Diese Organisation legt Qualitätskriterien für die Produkte
fest, zertifiziert sie, bemüht sich um eine seriöse(re) Aufklärung zur
Wirkungsweise und unterstützt wissenschaftliche Studien.

Wirkung

Keiner der von der Verbraucherzentrale angeschriebenen Hersteller
konnte/wollte eine seriöse wissenschaftliche Studie/Untersuchung zu
einem positiven Einfluss auf die genannten Erkrankungen vorlegen.
Das arznei-telegramm hat lediglich fünf randomisierte kontrollierte
Studien zu Aloe vera gefunden, alle ohne positive Ergebnisse. Danach
gilt lediglich die Einnahme von Aloe-vera-Extrakt (mit Anthrachinonen,
z. B. (Barb)Aloin, Aloinoside) als Abführmittel (Laxans) als
begründbar, wird aber wegen des krebserregenden (kanzerogenen) und
erbgutschädigenden (genotoxischen) Potentials der Antrachinone
abgelehnt und vom BUNDESINSTITUT FÜR ARZNEIMITTEL UND MEDIZINPRODUKTE
(BfArM) deswegen seit 01.11.1996 auf eine maximal zweiwöchige
Verwendung beschränkt.

Als Hauptwirkstoffe in Aloe vera werden vor allem Glykosaminoglykane
(Acemannan), Anthrachinone (dürfen im Gel nicht enthalten sein),
Salicylsäure, Saponine, Enzyme, Aminosäuren, Vitamine und
Mineralstoffe genannt. Medizin-Aloe wird vor allem wegen seiner
Feuchtigkeit spendenden sowie der antibakteriellen und
entzündungshemmenden Wirkung, gerne in Kosmetik verwendet.
An Nebenwirkungen sind Magen-/Darmbeschwerden beschrieben. Ggf. kann
es durch eine laxierende Wirkung bei chronischer Einnahme zu
Elektrolytverlusten sowie einer Melanosis coli (Pigmentablagerungen in
der Dickdarmschleimhaut) kommen. Auch wurden allergische Reaktionen
beobachtet.

Vertrieb

Angeboten werden Säfte und Gele sowohl in Reformhäusern und Apotheken
als auch in Supermärkten, am häufigsten ist jedoch der Direktvertrieb
über selbstständige Berater (ähnlich Herbalife) oder via Internet.
Die Preise sind sehr unterschiedlich, von 20 Euro bis 62 Euro pro 1000
ml, teilweise kommen noch ca. fünf Euro für Porto und Verpackung
hinzu. Die Preisunterschiede ergeben sich teilweise durch die
unterschiedlichen Qualitätsanforderungen.
Im Direktvertrieb liegen die Gewinne für die Vertreiber
(Handelsspanne) bei 30 bis über 40 %.

Werbung

Für die Produkte wird hauptsächlich durch Mundpropaganda mit großen
Heilwirkungen geworben. Durch Talk-Shows, "Ratgeber-Bücher" und
Verkaufsberater haben die Produkte inzwischen per se ein
(ungerechtfertigtes) Gesundheitsimage, so dass weitere Werbung auf
offiziellen, der Lebensmittelüberwachung zugänglichen
Produktverpackungen und Anzeigen außer im Internet nur selten
stattfindet.

Eine krankheitsbezogene Werbung (also Aussagen, die sich auf die
Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen) ist
verboten. Außerdem darf für Lebensmittel, und dazu gehören auch
Nahrungsergänzungsmittel, nicht mit irreführenden Angaben,
Darstellungen oder Aussagen geworben werden. Dazu zählt
beispielsweise, wenn "Lebensmitteln Wirkungen beigelegt werden, die
ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die
wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind." D. h. alle
Aussagen müssen wissenschaftlich belegbar sein!

Auf den Umverpackungen finden sich daher eher in der Wirkungsweise
schwer fassbare Hinweise, z. B.

- "Hilft die natürliche Selbstreinigung des Körpers zu fördern."
- "Durch effektvolles Zusammenspiel von Mineralstoffen, Vitaminen und
vielen, vielen weiteren Inhaltsstoffen entsteht ein Produkt von
geballter Kraft für Körper und Seele."

Weiterhin gilt:

Auch selbstständige Aloe-vera-Berater müssen sich bei der Ausübung
ihrer Tätigkeit an die gesetzlichen Vorschriften halten.
Wer Lebensmittel mit heilenden oder vorbeugenden Aussagen in den
Verkehr bringt, erklärt diese laut Europäischer
Arzneimittel-Richtlinie 65/65/EWG automatisch zu Arzneimitteln und ist
dann für das illegale In-Verkehr-bringen von Arzneimitteln zur
Rechenschaft zu ziehen.


http://www.vz-nrw.de/UNIQ106517899931395170/doc6696A.html
wynmuck
2003-10-04 08:47:31 UTC
Permalink
Post by Jana Heinze
Die gewonnene Flüssigkeit wird dann stabilisiert. Das
geschieht meist mit Hilfe von Vitamin C (Ascorbinsäure) sowie
Zitronensäure.
Was ist dagegen zu sagen?
Post by Jana Heinze
Eine Untersuchung der Euopäischen Kommission zur Bestrahlung von
Lebensmitteln ergab, dass 42 % der Aloe vera-Nahrungsergänzungen
bestrahlt (in der EU unzulässig) und nicht gekennzeichnet worden sind.
Wie sind diese 42% zustande gekommen? Der größte Anbieter der Welt, FLP
deckt ca. 90% des Weltmarktes ab. Wenn nun 42% der gesamten Aloe-Anbieter
bestrahlen, dürfte der Anteil der bestrahlten Aloe bei vielleicht 5%
liegen. Wenn FLP auch bestrahlen würde, müßte der Anteil bei mindestens
90% liegen.
Post by Jana Heinze
Einige Produkte tragen das Siegel des International Aloe Science
Council. Diese Organisation legt Qualitätskriterien für die Produkte
fest, zertifiziert sie, bemüht sich um eine seriöse(re) Aufklärung zur
Wirkungsweise und unterstützt wissenschaftliche Studien.
Danke für die Aufklärung. "Einige Produkte" stellen aber den
überwiegenden Marktanteil dar. Es handelt sich nicht um die Minderheit.
Die FLP-Produkte (und andere) haben dieses Siegel. Damit entsprechen
mindestens 90% (schätze eher 95%) diesen Qualitätskriterien.
Post by Jana Heinze
Wirkung
Keiner der von der Verbraucherzentrale angeschriebenen Hersteller
konnte/wollte eine seriöse wissenschaftliche Studie/Untersuchung zu
einem positiven Einfluss auf die genannten Erkrankungen vorlegen.
Wissenschaftliche Studien gibt es auch kaum. Dazu müssten die
Inhaltsstoffe bekannt sein, das ist bei Aloe Vera nicht der Fall, weil
immer wieder neue Bestandteile in der Aloe gefunden werden.
Post by Jana Heinze
Danach
gilt lediglich die Einnahme von Aloe-vera-Extrakt (mit Anthrachinonen,
z. B. (Barb)Aloin, Aloinoside) als Abführmittel (Laxans) als
begründbar, wird aber wegen des krebserregenden (kanzerogenen) und
erbgutschädigenden (genotoxischen) Potentials der Antrachinone
abgelehnt und vom BUNDESINSTITUT FÜR ARZNEIMITTEL UND MEDIZINPRODUKTE
(BfArM) deswegen seit 01.11.1996 auf eine maximal zweiwöchige
Verwendung beschränkt.
Zu Recht, hierbei handelt es sich im Arzneimittel, die mit dem Aloe-Gel
nichts zu tun haben.
Nun zu deiner Überschrift: Genauso gut könntes du behaupten: Kartoffeln
sind krebserregend (kanzerogen). Und dann im Text: Wenn man rohe
Kartoffeln ißt oder das oberirdische Kartoffelkraut. Soviel zur
Seriosität.
Post by Jana Heinze
Als Hauptwirkstoffe in Aloe vera werden vor allem Glykosaminoglykane
(Acemannan), Anthrachinone (dürfen im Gel nicht enthalten sein),
Salicylsäure, Saponine, Enzyme, Aminosäuren, Vitamine und
Mineralstoffe genannt. Medizin-Aloe wird vor allem wegen seiner
Feuchtigkeit spendenden sowie der antibakteriellen und
entzündungshemmenden Wirkung, gerne in Kosmetik verwendet.
An Nebenwirkungen sind Magen-/Darmbeschwerden beschrieben. Ggf. kann
es durch eine laxierende Wirkung bei chronischer Einnahme zu
Elektrolytverlusten sowie einer Melanosis coli (Pigmentablagerungen in
der Dickdarmschleimhaut) kommen. Auch wurden allergische Reaktionen
beobachtet.
Man sollte in der Diskussion um die Pflanze Aloe vera auch eine
Diskussion über die Anbieter beginnen.
Post by Jana Heinze
Die Preisunterschiede ergeben sich teilweise durch die
unterschiedlichen Qualitätsanforderungen.
Kannst du das begründen? Ca. 90% des Aloe-Gels werden für etwa 30 Euro
der Liter angeboten.
Post by Jana Heinze
Auch selbstständige Aloe-vera-Berater müssen sich bei der Ausübung
ihrer Tätigkeit an die gesetzlichen Vorschriften halten.
Wer Lebensmittel mit heilenden oder vorbeugenden Aussagen in den
Verkehr bringt, erklärt diese laut Europäischer
Arzneimittel-Richtlinie 65/65/EWG automatisch zu Arzneimitteln und ist
dann für das illegale In-Verkehr-bringen von Arzneimitteln zur
Rechenschaft zu ziehen.
Gebe dir auch hier vollkommen Recht.
Gruß Fritz

--
Die Gesundheit ist dein größtes Gut. Nur du bist für deine Gesundheit
verantwortlich. Marc Twain: "Man kann die Erkenntnisse der Medizin
auf eine knappe Formel bringen: Wasser, mäßig genossen, ist unschädlich."

http://aloevera-sw.de/jung/
Renate Ratlos
2003-10-04 16:19:56 UTC
Permalink
Post by wynmuck
Post by Jana Heinze
Eine Untersuchung der Euopäischen Kommission zur Bestrahlung von
Lebensmitteln ergab, dass 42 % der Aloe vera-Nahrungsergänzungen
bestrahlt (in der EU unzulässig) und nicht gekennzeichnet worden sind.
Wie sind diese 42% zustande gekommen? Der größte Anbieter der Welt, FLP
deckt ca. 90% des Weltmarktes ab. Wenn nun 42% der gesamten Aloe-Anbieter
bestrahlen, dürfte der Anteil der bestrahlten Aloe bei vielleicht 5%
liegen. Wenn FLP auch bestrahlen würde, müßte der Anteil bei mindestens
90% liegen.
Unlogisch.

RR
--
Jan Drew forges posts, like he posted the "> What a fucking moron".

See Message-ID: <***@mb-m02.aol.com>
Sven Jaehnichen
2003-10-04 22:14:35 UTC
Permalink
Servus Fritz

Hast du dich mit einem X-Post an meinem Filter für d.a.n. (wegen
Anonymous-Posting) vorbeigemogelt ;-).
Post by wynmuck
Wissenschaftliche Studien gibt es auch kaum. Dazu müssten die
Inhaltsstoffe bekannt sein, das ist bei Aloe Vera nicht der Fall, weil
immer wieder neue Bestandteile in der Aloe gefunden werden.
In den Staatsexamina hasste ich immer diese "weil"-Fragen. Aber wenn ich
mich recht erinnere ergab Quatsch und Quatsch immer "F". SCNR

1. Wissenschaftliche Studien gibt es genügend zu Aloe Vera. Dazu
brauchst du nur mal ins Pubmed schauen. Allerdings beschäftigen sich die
meisten Arbeiten nur mit Extraktion von Pflänzchen und liefern
bestenfalls Wirksamkeitsaussagen in einem kaum übertragbaren in-vitro
Assay. Nur gibt es kaum klinische Studien. Und wenn es welche gibt, dann
genügen sie nicht anerkannten wissenschaftlichen Standards.

2. Aloe Vera ist mittlerweile durch alle HPLCs, GCs, MS, NMRs und was es
sonst noch alles gibt genudelt worden. Eine dreistellige Anzahl an
Inhaltsstoffen ist bekannt. Was willst du mehr?

3. Neue Bestandteile werden immer gefunden. Die Frage ist nur, a) ob sie
in einer für eine Wirkung ausreichender Menge vorkommen und b) ob sie
sich pharmakologisch von den bereits charakterisierten Komponenten
ausreichend unterscheiden, um für die zu betrachtende Wirkung
verantwortlich zu sein. Additive und überadditive Effekte dürfen
natürlich nicht vernachläössigt werden.

Sven Jähnichen
Renate Ratlos
2003-10-25 01:04:54 UTC
Permalink
On Sun, 05 Oct 2003 00:14:35 +0200, Sven Jaehnichen
Post by Sven Jaehnichen
Was willst du mehr?
Geld.

RR
--
"Das ist ein Buch."
"Ich glaube, das heißt so."

(Liebe auf den ersten Schrei, Film, 1997,USA)
Sven Jaehnichen
2003-10-04 21:52:58 UTC
Permalink
Servus Jana

Vielen Dank für deinen ausführlichen Review-Artikel, den ich ein
einzelnen Stellen kommentieren möchte.
Post by Jana Heinze
Das arznei-telegramm hat lediglich fünf randomisierte kontrollierte
Studien zu Aloe vera gefunden, alle ohne positive Ergebnisse.
Stimmt nicht ganz. Die berühmte Arbeit von Syed et al. (Trop. Med. Int.
Health 1996; 1: 505-509) beschrieb eine 85%ige dauerhafte Heilung einer
bereits seit längeren bestehende Psoriasis, während in der Placebogruppe
nicht einmal 10% geheilt wurden. Dies erreichte man mit einer Creme, die
0,5% Wirkstoff enthielt. Da diese Menge heutzutage in fast allen
kosmetischen Cremes enthalten ist, sollte man annehmen, dass die
Schuppenflechte mittlerweile ausgestorben ist ;-).
Post by Jana Heinze
Als Hauptwirkstoffe in Aloe vera werden vor allem Glykosaminoglykane
(Acemannan)...
Zu Acemannan findet man im Pubmed schon ein wenig greifbareres. Das
Zeuch ist auch als Gebisskleber bestens getestet. Fazit: Kleister gegen
alles - naja ;-).

Sven Jähnichen
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